Dioramen von Br. Gilbert in Roms Krippenmuseum
Vorstandsmitglied Paul Laternser organisierte im Januar dieses Jahres eine siebentägige Romreise. Darin stellte der Besuch des «Museo del Presepio Angelo Stefanucci» krippenmässig den Höhepunkt dar.
Als Grundstock beherbergt das Museum die Sammlung von Angelo Stefanucci, inzwischen sind aber zahlreiche Neuerwerbungen hinzu gekommen. Zusammen vermitteln sie einen guten Überblick über das Krippenschaffen in Italien mit seinen namhaften Künstlern. Daneben treffen wir auf Exponate aus anderen europäischen Ländern, worunter Spanien eine bevorzugte Stellung einnimmt. So verwundert es nicht, wenn auch fünf Dioramen des Katalanen Br. Gilbert Galceran i Famadas (vgl. GLORIA 2018-1) hier anzutreffen sind. Sie stammen aus seiner mittleren Schaffensperiode und entstanden um 1967, als er sich in Rom aufgehalten hat.
Die Dioramen von Br. Gilbert stellen folgende Szenen dar: Maria Heimsuchung, Herbergsuche in Bethlehem, Verkündigung an die Hirten, Anbetung der Könige und Flucht nach Ägypten. Gegenüber den früheren Dioramen im Zisterzienserkloster Altenryf (Hauterive) lässt sich in den römischen Arbeiten eine Entwicklung feststellen: Die jeweilige Szenerie ist plastischer gestaltet. Gewisse bauliche Elemente lassen den Einfluss der römischen Architektur erkennen. Was aber ganz besonders auffällt, ist die Meisterschaft, die Br. Gilbert inzwischen im Erzielen einer grösstmöglichen Tiefenwirkung erreicht hat.
Auf der anderen Seite hat er die Figuren in den römischen Dioramen auf die Wesentlichen reduziert. Dies wird besonders deutlich in den Szenen Maria Heimsuchung und Anbetung der Könige. In der ersten Szene ist das Federvieh nur noch marginal vorhanden, in der zweiten fehlen Gefolge und Reittiere der Könige ganz. Dies bewirkt, dass die aufwändige Arbeit für die Szenerien um so schöner zur Geltung kommen.
Hansjakob Achermann
Pier Luigi Bombelli: «Maternitá»
Krippenbaumeister, Wissenschaftler, Historiker und Sammler, aktiv an der Organisation der italienischen und internationalen Krippenbewegung beteiligt, weltweit bekannt und geschätzt. Seine Ausbildung erhielt er bei Claudio Mattei in Ponte San Pietro (Bergamo), später bei Antonio Pigozzi und den katalanischen Meistern der Gruppe Francesco Romagosa. Er lebt in Sergnano, (Cremona,Lombardei). 2016 erhielt er in Bergamo am Weltkongress die Auszeichnung der UN-FOE-PRAE.
Seine Krippen finden wir in Museen in Italien und im Ausland. Er zeichnet sich durch Liebe zum Detail aus, entwickelte eine besondere intime Sensibilität für Innenszenen mit Räumen aus der ländlichen Tradition der Landschaft von Crema oder den Tälern von Bergamo, die er originalgetreu rekonstruiert. Wichtig sind für ihn auch die Krippenfiguren, die er oft bei den besten Figurenschnitzern, insbesondere in Italien und Spanien nach seinen Entwürfen anfertigen lässt. Seine Werke sind jedes Jahr in den großen Krippenausstellungen in ganz Italien ausgestellt und auch in italienischen und spanischen Krippenzeitschriften veröffentlicht. Er ist auch Sammler und besitzt eine reiche und wertvolle Sammlung von Papierkrippen; ein Bruchteil war 2016 anlässlich des letzten Weltkrippenkongresses ausgestellt. Wir erinnern uns an sein 2015 erschienenes Buch über Papierkrippen, geschrieben mit seiner Frau Emanuela Carpani. An einem nächsten Band arbeitet er bereits. Seine Techniken und sein Wissen gibt er in zahlreichen Kursen, oft gemeinsam mit Antonio Pigozzi in Italien und im Ausland weiter. Als profunder Kenner der Krippenszene hält er oft Vorträge und publiziert in Katalogen und Krippenzeitschriften. Er war auch einer der Organisatoren des 20. Internationalen Krippenkongresses, 2016, Bergamo, beteiligt.
Seine im Krippenmuseum Rom ausgestellte Krippe trägt den Titel «Maternitá (Mutterschaft)» und ist inspiriert von dem Gemälde «Die beiden Mütter» (1889) von Giovanni Segantini. In einem Stall sitzt eine junge Mutter, ihr Kind in den Armen. Sie sitzt auf einem dreibeinigen Melkschemel, ist in ein einfaches langes Kleid gekleidet, ein helles Tuch um den Kopf. Ihr Gesicht beugt sie nach unten zum schlafenden Kind. Eine Kuh mit ihrem Kalb steht daneben.
Bei Bombelli blicken wir in den Stall. Schafe drängen sich vor einer nur einen Spalt breit geöffneten Türe. Was sehen sie? Stehen wir vor der Krippe, sehen wir erstmal gar nichts. Man muss sich etwas zur Seite bewegen, schräg im Verlauf des Tores durchschauen. Eine Frau (Maria) sitzt auf einem Schemel und hat ihr Kind an ihrer Brust. Auch hier steht daneben eine Kuh mit ihrem Kalb. Jedesmal wenn ich die Krippe sehe bewegt sie mich. Es geht eine grosse Ruhe davon aus. Grossartig sind für mich auch die Schafe. Obwohl man nur ihre Rücken sieht, spürt man ein grosses Staunen, ja eine Ehrfurcht von dem, was sie sehen – das Wunder von Weihnachten.
Eugenia Bolli
Die Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz
An der letzten Weihnacht wartete der Petersplatz in Rom mit einer besonders spektakulären Art von Krippe auf: einer aus Sand! Unsere Reisegruppe von Schweizer Krippenfreunden schaffte es gerade noch, sie vor ihrem Abbau sehen zu können und Judith Zingg war mit ihrem Fotoapparat sofort zur Stelle, um sie für das GLORIA festzuhalten.
Die in Norditalien gelegenen Regionen Friaul-Julisch Venetien waren für die Durchführung dieser Aktion verantwortlich. Sie lieferten einerseits den 23 m hohen Christbaum, der neben dem bekannten Obelisken aufgestellt wurde. Andererseits stammten die 700 Tonnen Sand, die für die Herstellung der Krippe benötigt wurden, aus dem bekannten Adria-Ort Jesolo. Dort findet jährlich im Sommer ein Sandskulpturen-Festival statt, und seit 2002 wird jeweils auch an Weihnachten eine monumentale Sand-Krippe modelliert. Die Spenden, welche die Organisatoren des Anlasses erhalten, werden an wohltätige Organisationen weitergeleitet. Durch die Ereignisse der letzten Monate erhielt diese Installation auf dem Petersplatz zudem eine tiefere Bedeutung: Politische und kirchliche Vertreter erinnerten in ihren Grußworten anlässlich der Einweihung an die schweren Unwetter, die in den vergangenen Monaten sowohl die Küste als auch das Bergland in Norditalien getroffen hatten.
Papst Franziskus besuchte das Ensemble nach einem Dankgottesdienst zum Jahresende am Silvesterabend. Der Leiter der Vatikanstaats-Verwaltung, Kardinal Giuseppe Bertello, lobte die Weihnachtskrippe als Frucht einer internationalen Zusammenarbeit. An der Gestaltung der Sandfiguren hatten Künstler aus Russland, den Niederlanden und Tschechien mitgewirkt. Vor der Witterung wurde die 16 Meter breite und fünf Meter hohe Skulptur durch eine Dachkonstruktion geschützt – diese war anlässlich unseres Besuches Mitte Januar aber bereits wieder abgebaut worden. Judith Zingg zeigt uns die Krippe in schönem Abendlicht. Der triumphierende Gloria-Engel im Zentrum überhöht die Heilige Familie und verkündet die frohe Botschaft an die Hirten (links) und die Heiligen Könige.
Wer die Feinheiten der Details – beispielsweise die zarten Gesichter und die weichen Schwünge der Stoffdraperien – gesehen hat, kann sich nur wundern, wie Derartiges aus Sand modelliert werden kann!
Raoul Blanchard
Die Krippe der Müllmänner
Auf unserer Romreise hatten wir das Glück, die Krippe der Müllmänner («Il Presepe dei Netturbini») besuchen zu können. Unsere Präsidentin Eugenia Bolli hat in ihrem Editorial im GLORIA 2018/1 bereits über diese Krippe berichtet. Ich benutze die hervorragenden Fotos von Judith Zingg, um nochmals auf diese Krippe zurückzukommen, auf dass sich unsere Leser selbst ein Bild von ihr machen können.
Wenn gesagt wird, dass sich die Krippe in einem verwinkelten Hinterhof in Rom befindet, ist das wahrlich nicht übertrieben. Es braucht schon etwas Orientierungssinn, um den Standort in der ehemaligen Garage der Müllfahrzeuge in der Via dei Cavallegerie 5 aufzuspüren. Einmal angekommen, wird man von Giuseppe Ianni mit grosser Herzlichkeit empfangen. Vor fast fünfzig Jahren, als junger Strassenkehrer, hatte er sich vorgenommen, die schönste Krippe Roms zu bauen. Und keck hatte er hinzugefügt, dass sogar der Papst sie besuchen werde. Trotz anfänglicher Skepsis unterstützten ihn zahlreiche seiner Kollegen tatkräftig. Mit jedem Jahr wurde die Krippe grösser und der Besucherandrang intensiver. Heute ist Giuseppe Ianni ein vitaler Mitachziger, und das heilige Feuer, die grosse Begeisterung für sein Werk, ist nur noch intensiver geworden. Und seine Wette hat er längst gewonnen. Über zwei Millionen Besucher konnte er bis heute zählen, darunter namhafte Prominenz, und mit Paul VI., Johannes-Paul II. und Benedikt XVI. gar drei Päpste. Franziskus lässt noch auf sich warten, aber Giuseppe Ianni gibt ihm noch etwas Zeit…
Wie lässt sich dieser Erfolg erklären? Der Wert dieser Krippe liegt nicht in der Verwendung teurer Materialien, die Schönheit folgt nicht unbedingt ästhetischen Kriterien. Es ist vielmehr der Gedanke des weltumspannenden Teilhaben Lassens, die seine Schöpfung beseelt. Über 3000 Steine – Geschenke von Besuchern aus der ganzen Welt, ja sogar vom Mond um vom Mars! – bilden das Fundament seiner Krippe. Für den Bau der über hundert Häuser, fast tausend Treppen und vier Aquädukte erhielt er ganz besondere Baumaterialien: Fragmente vom Petersdom, Sand aus Bethlehem usw. Es ist die kollektive Botschaft des Friedens, ausgesendet aus einem bescheidenen Römer Hinterhof, welche die Faszination seiner Krippe ausmacht. «Ich würde alle einladen, die Bibel zu lesen – meint Giuseppe Ianni hinzu – weil darin so viel Liebe und so viel Weisheit steckt. Wenn wir alle die Bibel lesen würden, gäbe es mehr Liebe auf dieser Welt».
Raoul Blanchard
Index zu den Bildern «Römische Impressionen» (Nummerierung von links nach rechts)
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